Wer Lebensmittel wirklich liebt, zahlt faire Preise. Der Lebensmitteleinzelhandel muss jetzt Verhaltenskodex vorlegen

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Angesichts der erneuten Ankündigung von Preissenkungen durch den Lebensmitteleinzelhandel und der sich dagegen richtenden bundesweiten Bauernprotesten erklärt die Bundestagsabgeordnete Silvia Breher:

„Wir verstehen jeden Landwirt, der derzeit gegen den Lebensmitteleinzelhandel protestiert. Die Lage auf den Höfen ist verzweifelt. Sie haben kaum mehr Luft zum Atmen, denn die Erzeugerpreise sind historisch niedrig. Die Kosten sind dagegen gestiegen. Die Rücklagen sind nach Krisen- und Dürrenjahren aufgebraucht.

Diese Situation wird vom Lebensmitteleinzelhandel erbarmungslos ausgebeutet. Damit meinen wir nicht den Händler vor Ort, denn die selbständigen Kaufleute versuchen ihre Landwirte vor Ort häufig durch regionalen Einkauf etc. zu stützen. Es geht um die vier großen Konzerne. Mit 85 Prozent Marktanteil sind Edeka, Rewe, Lidl und Aldi so mächtig, dass sie Bedingungen und Preise diktieren können. Und sie tun es gnadenlos.

Aktuell macht ALDI es vor. ALDI will laut Branchenhinweisen die Einkaufspreise für Butter bei den Molkereien bis zu 60 Cent pro Kilogramm senken. Durch den Markt wäre eine solche Preissenkung nicht gerechtfertigt. ALDI spielt seine Marktmacht aus. Und wenn ALDI reduziert, werden die anderen großen Drei folgen. Der Wettbewerb um Marktanteile ist kannibalisitisch. Den Preis zahlen allein die Landwirte und Erzeuger. Denn wer nicht mitzieht, geht unter. Schon heute werden heimische Milch, Fleisch, Obst und Gemüse gegen Auslandsware ausgespielt. Damit ist dauerhaft der Agrarstandort Deutschland gefährdet. Wir wollen eine Landwirtschaft mit Zukunft und eine Zukunft für die Landwirtschaft in Deutschland.

Der Grundsatz muss heißen: Unsere Lebensmittel von unseren Bauern. Die großen Vier beschwören aktuell in ganzseitigen Anzeigen eine faire Partnerschaft mit den Erzeugern. Aber unsere Bauern und Erzeuger brauchen keine schönen Werbebotschaften, sondern faire Preise. Deshalb hat Bundesministerin Julia Klöckner den Entwurf für ein Gesetz für das Verbot unlauterer Handelspraktiken auf den Weg gebracht. Ich unterstützen sie dabei und erwarte von den großen Vier: Nicht nur über Fairness reden, sondern Fairness leben!

Wenn die großen Vier es ernst meinen, legen sie jetzt einen eigenen Verhaltenskodex auf den Tisch. Ein entsprechender Entwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurde am 22. Dezember 2020 von den großen Vier noch aus kartellrechtlichen Gründen abgelehnt. Es sollte ein eigener Entwurf folgen. Aber bislang ist nichts in Sicht.

Ich fordere die großen Vier auf, sich selbst zu verpflichten:

  1. Landwirte und ihre Vermarktungsorganisationen werden auf Augenhöhe behandelt. Preise werden nicht diktiert, sondern verhandelt. Preiserhöhungen kommen auch den Landwirten zugute.
  2. Standards werden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit Augenmaß gesetzt. Wer die Musik bestellt, bezahlt diese. Erhöhte Standards und der damit verbundene Mehraufwand werden vergütet.
  3. Unfaire Handelspraktiken werden nicht angewendet. Insoweit werden die Vorgaben des Gesetzentwurfs zur Umsetzung der UTP-Richtlinie beachtet. Und die Handelspraktiken der sog. „Grauen Liste“ werden wie die Praktiken der „Schwarzen Liste“ als verbindlich beachtet.
  4. Qualitätsmerkmale wie Herkunft, Regionalität, Tierwohlhaltung, Nachhaltigkeit etc. werden für Verbraucherinnen und Verbraucher kenntlich gemacht. So haben diese eine echte Auswahlentscheidung.