Rede im Dt. Bundestag zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Damit erfüllen Sie ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag:

„Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen.“

So haben Sie gerade auch den Gesetzentwurf eingeführt, Frau Ministerin, und angekündigt, Schwangere, denen der Zugang erschwert oder verwehrt wird, zu schützen, das Versperren des Weges und Anfeindungen zu verhindern, Frauen wirksam zu schützen.

Frauen, die sich mit dem Gedanken einer Abtreibung befassen, stehen vor einer unfassbar schweren, oft lebensverändernden Entscheidung  und sind in einer absoluten Ausnahmesituation, die emotional, aber auch psychisch oft hoch belastend ist. Natürlich müssen sie Zugang zu den Beratungsstellen und am Ende auch zu den Arztpraxen haben, auch ungehinderten Zugang – bis dahin volle Zustimmung. Die Frage ist aber – genau das ist ja hier Kern der Debatte -, ob Sie das, was Sie gerade beschrieben haben, mit dem Gesetz tatsächlich verhindern können, ob eine solche Änderung also notwendig ist. Mein Kollege Hubert Hüppe hat die Bundesregierung gefragt, wie viele Fälle seit 2021 bekannt seien. Ihre Antwort: Die Ergebnisse der initiierten Länderabfrage stützen den Handlungsbedarf, können aber weder quantifiziert noch aufgeschlüsselt werden.

Frau Ministerin, Sie selber haben im ZDF-Interview von wenigen Einzelfällen gesprochen. Wenn Sie aber zunehmende Protestaktionen als Grundlage für diese Rechtsänderung sehen, dann hätte ich zumindest erwartet, dass Sie die Fälle offenlegen, bevor wir ein Bundesgesetz ändern.

Sie aber erwecken hier den Anschein, als befänden wir uns in einem rechtsfreien Raum. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben auf der einen Seite die Versammlungs-, Meinungs-, und auch die Religionsfreiheit und auf der anderen Seite das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Gerade bei den Versammlungen, um die es oft geht, ist in den aktuellen Verwaltungsgerichtsentscheidungen geklärt worden, unter welchen Bedingungen – passgenau für die jeweilige Situation vor Ort – sie eingeschränkt werden können.

Frau Ministerin, den Zugang verwehren bzw. den Zugang behindern, all das nennt man Nötigung, und das ist auch heute schon strafbar.

Die ungestörte Durchführung von Beratungsgesprächen ist schon heute sicherzustellen; dafür braucht es dieses Gesetz nicht.

Sie erwecken hier die Erwartung, dass Sie einen noch viel weiter gehenden Schutz für die Betroffenen erreichen können. So sehr ich mir auch wünsche, dass solche Ereignisse vor Ort nicht stattfinden, muss ich Ihnen sagen: Das können Sie weder verbieten noch unterbinden, und das wird auch dieses Gesetz nicht schaffen. Gerade mit den im Gesetz aufgeführten Tatbestandsmerkmalen werden Sie die oft so subtilen Belästigungen vor Ort nicht verhindern können. Dafür sind diese Merkmale nicht ausreichend.

Sie sprechen von einer Zunahme bei den Protestaktionen. Wenn Ihnen der gesellschaftliche Frieden bei diesem hochsensiblen Thema irgendetwas wert wäre, dann gäbe es andere Wege. Stärken Sie die Beratungsstellen! Erhöhen Sie ihre Anzahl! Stärken Sie die Hilfsangebote für die Schwangeren in diesen schwierigen Zeiten! Kündigen Sie vor allem den gesellschaftlichen Konsens zum Schwangerschaftsabbruch nicht wieder auf! Denn der Wegfall des Gesetzes zur Beratungspflicht würde die Rechtsgrundlage im Kampf gegen die Gehsteigbelästigungen, die Sie nun verhindern wollen, entziehen. Dieses Gesetz torpedieren Sie mit Ihren eigenen Vorhaben.

Sie selber sprechen von wenigen Einzelfällen. Ich möchte Sie bitten, die politische Verantwortung wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass diese Einzelfälle Einzelfälle bleiben.

Foto: Deutscher Bundestag