Höchste Zeit für einen pragmatischen Umgang mit dem Wolf

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Anlässlich der heutigen 2. und 3. Beratung zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes erklärt die CDU-Bundestagsabgeordnete Silvia Breher:

„Die Bilder aus Augustenfeld habe ich noch vor Augen. Jeder weitere Wolfsübergriff führt die sich immer weiter zuspitzende Situation in einzelnen Regionen ganz brutal vor Augen. Wir brauchen endlich klare Regelungen und einen pragmatischen Umgang mit dem Wolf. Ein Schritt ist hier die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, die wir heute final im Bundestag beschlossen haben: Fütterungs- und Anlockungsverbot für Wölfe, Entnahme von Hybriden und Rechtssicherheit für Jagdausübungsberechtigte. Auch wenn meine Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ich uns insgesamt mehr gewünscht hätten, konnten wir gegenüber dem Regierungsentwurf noch eine wichtige Verbesserung erreichen.

Unter die Regelung fällt nämlich zukünftig auch jeder Kleinhalter, also jeder, der die Schaf- und Ziegenhaltung als Hobby betreibt. Diese leisten einen genauso wertvollen Beitrag für Umwelt- und Naturschutz wie alle anderen Weidetierhalter. Es ist nicht richtig, dass ein Schafhalter erst durch Wolfsrisse bankrottgehen muss, bevor eingegriffen wird. Eine Entnahme wird möglich sein, wenn „ernste wirtschaftliche Schäden“ drohen. Ein Wolf muss hier nicht erst verhaltensauffällig sein, sich Menschen nähern oder mehrfach Herdenschutzzäune überwunden haben. Diese Nachweise sind fern jeder Praktikabilität.

Der Gesetzentwurf muss noch durch den Bundesrat, voraussichtlich im Februar 2020.

Darüber hinaus werden wir im nächsten Jahr einen Antrag stellen, damit die Bundesregierung prüft, ob gegebenenfalls bestimmte Gebiete, in denen Herdenschutzmaßnahmen nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich sind – beispielsweise im Bereich der Deiche oder im Hochgebirge – unter Umständen zu wolfsfreien Zonen erklärt werden können.“

Ebenso zur Abstimmung stand heute ein Antrag der FDP-Fraktion. Die schriftliche Erklärung über das Abstimmungsverhalten von Silvia Breher lesen Sie hier:

Erklärung nach § 31 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur
2./3. Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes
Drs. 19/10899, 19/13289, 19/16148
und zur
2./3. Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Wolfsmanagement, Drs. 19/10792, 19/16147
am 19. Dezember 2019

Artenschutz ohne Realitätssinn funktioniert nicht. Mit den überfälligen Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz tragen wir dem Artenschutz in einem ersten Schritt Rechnung. Der Druck der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich gelohnt. Deshalb stimme ich für das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes.
Den vorliegenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion lehne ich dagegen ab. Denn er greift zu kurz und löst die Probleme nicht ausreichend.
Den Schutz des Wolfes, den internationale und EU-rechtliche Bestimmungen zum Artenschutz verlangen, respektieren wir. Aber es ist höchste Zeit für einen pragmatischen Umgang mit diesem Raubtier – auch bei uns in Deutschland. Wir leben in einem dicht besiedelten Gebiet. Die Akzeptanz für den Wolf kann hier dauerhaft nur gesichert werden, wenn sich Bürgerinnen und Bürger auf einen wirksamen Schutz vor ihm verlassen können.
Für uns steht die Sicherheit der Menschen an erster Stelle. In dicht besiedelten und wirtschaftlich genutzten Arealen ist kein konfliktfreies Zusammenleben mit dem Wolf möglich. Für Wolfsromantik hat dort aus gutem Grund niemand Verständnis. Deshalb haben wir uns frühzeitig am 27. November 2018 als CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit unserem Beschluss „Wölfe in Deutschland – Sorgen ernst nehmen, Sicherheit schaffen, Bestände regulieren“ positioniert.
Die Zahl der in Deutschland nachgewiesenen Rudel ist im Berichtsjahr 2018/2019 von 77 auf 105 hochgeschnellt. Und damit auch die Anzahl der Übergriffe und Risse – von Ziegen, Lämmern, Rindern, Fohlen oder Gatterwild. In den betroffenen Gebieten sorgt der Wolf für Angst, denn er ist ein Raubtier. Die Menschen sehen sich mit ihm konfrontiert. Sie erleben: Haus- und Nutztiere werden angegriffen und gerissen – auch trotz Herdenschutzmaßnahmen.
Wir wissen: Tierschutz ist nicht teilbar. Wenn Weidetiere dem Wolf trotz Schutzmaßnahmen im Regelfall chancenlos ausgeliefert sind, ist Gegensteuern auch ein Gebot des Tierschutzes. Nichtstun ist keinem Weidetierhalter vermittelbar, der infolge Wolfsrissen um seine wirtschaftliche Existenz bangen muss. Bereits heute müssen Schäfereien aufgeben. Dies hat auch Folgen für unsere Kulturlandschaft wie z.B. unsere Deiche. Diese müssen zwingend beweidet werden. Dabei geht es nicht um das schöne Landschaftsbild, sondern um die Deichsicherheit.
Deshalb setze ich mich weiterhin für ein aktives und vorausschauendes Bestandsmanagement bis hin zur Schaffung faktisch wolfsfreier Zonen ein – gerade dort, wo Herdenschutzmaßnahmen nicht möglich sind bzw. nicht wirken. Wir konnten mit dem Koalitionspartner zumindest vereinbaren, darüber zeitnah intensiv zu reden. Denn staatliches Handeln darf nicht erst mit dem Schadensfall beginnen. Europa gibt uns dazu die Möglichkeit an die Hand. Diese nutzen andere Mitgliedstaaten bereits.
Deshalb fordern wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach wie vor, Art. 16 I e FFH-Richtlinie 1:1 in nationales Recht durch das Bundesnaturschutzgesetz umzusetzen. Damit würde ein gemäßigtes, behördlich kontrolliertes Bestandsmanagement möglich. Leider waren diese weitergehenden Forderungen mit der SPD-Bundestagsfraktion jetzt nicht zu vereinbaren. Die nun vorgenommenen Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz sind jedoch erste wichtige Schritte in die richtige Richtung, die ich unterstütze.
Der Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion wird der Komplexität der Herausforderungen beim Umgang mit dem Wolf nicht gerecht. Diese sieht die Lösung nahezu ausschließlich in einer Änderung des nationalen Jagdrechts. Auch wir befürworten dieses, aber das allein reicht nicht. Denn nationales Jagdrecht kann internationale und EU-rechtliche Bestimmungen zum Artenschutz nicht aushebeln.
Der vor allem auf das Jagdrecht abzielende Lösungsansatz birgt eine weitere Gefahr: Jäger würden damit einseitig für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und den Schutz der Weidetierhaltung in die Pflicht genommen werden. Andere Akteure, insbesondere die für den Naturschutz zuständigen Behörden, würden aus ihrer originären Verantwortung für ausgleichende Konfliktlösungen zunehmend entlassen. Sie könnten sich sogar bewusst aus dieser schwierigen Verantwortung ziehen. Das ist zu vermeiden.